2 Transfeminine_weiße_ableisierte Personen denken über Privilegien nach (Emilia)
Lara: Letztens meinte doch echt diese eine da zu mir, dass ich ja irgendwie male privilege habe. Oder dass ich das mal checken soll oder so, ich dachte echt ey…
Anna: Dafuq?
Lara: Ja, ich frage mich echt manchmal, wie Leute sich vorstellen, wie Privilegien funktionieren.
Anna: Ja echt, ich finds auch immer so interessant, also ich meine Privileg ist auch nicht gleich Privileg, ne? Und nicht alle Formen von Privilegien kann 1 auch wirklich haben, also ich meine, es kommt halt echt auf den Kontext an, so einfach ist das nicht immer. Also ich meine, Privilegien werden 1 ja nicht bei der Geburt so mit auf den Weg gegeben, aber ich glaub das stellen sich viele so vor irgendwie.
Lara: Ja ne? So wie das mit diesem „unsichtbaren Privilegien-Rucksack“ da, das war mir auch schon immer sehr suspekt. Also ich meine das nimmt auch wieder alles voll ausm Kontext raus, sich Privilegien als sonen Rucksack vorzustellen, ich mein, wo hab ich den denn her? Krieg ich den bei der Geburt? Gibts da sonen Privilegien-Gott und der sagt sich dann, ach hier, der Moritz, dem brauch ich bloß cis-Privilegien für 19 Jahre mitzugeben in seinen Rucksack, weil dann findet er nämlich raus, dass er trans* ist, oder wie ist das? Oder geb ich dann meinen Rucksack ab in dem Moment, wo ich weiß, dass ich trans* bin? Also… ne? Ich weiß, das mit dem Rucksack von der Peggy McIntosh das war auf weiß-sein bezogen, aber auch da wird irgendwie so getan, als hätte 1 diese Privilegien halt irgendwie so ganz unverdient und so, das ist doch son quatsch!
Anna: Ja, dazu hab ich auch voll den guten Artikel bei der Mädchenmannschaft aufm Blog gelesen von Nadine. Weil Rassismus eben auch eine aktive Handlung ist und nicht irgendwas wofür die armen weißen gar nix können. Und ja, wenn ich mich jetzt abschminke, meine Ohrringe rausmache, meine Haare abschneide, mir typisierende Klamotten überhelfe und mit tiefer Stimme rede und mich dann die meisten als cis-Typen lesen und wenn ich dann irgendwo zum Beispiel deswegen ernster genommen werde als anwesende weibliche Personen bzw. Frauisierte, könnte ich in diesem Kontext von einem ganz bestimmten Privileg reden, das ich in diesem Kontext habe und das daher kommt, dass mir mehr Kompetenz zugeschrieben wird, weil irgendwelche sexistischen Arschloch-Typen zum Beispiel das meinen, dass das so wär. ok.
Lara: Ja ne? Das ist so eine verzwickte Scheiße, also Genderismus_Rassismus_Ableismus_etc also so Diskriminierungen aller zusammenhängender Art, ja? Das läuft einfach weder 1:1 parallel mit Identitäten noch mit Wahrgenommen-Werden, noch mit sonst irgendwas ganz easy-peasy zusammen. Es ist halt echt alles viel komplizierter, komplexer. Und oft verlieren die Leute auch aus den Augen, was sie eigentlich damit nochmal erreichen wollen, dass sie eine Person auf ihre Privilegien hinweisen, die sie haben oder angeblich haben. Haben. Das ist wie einer nicht-cis Person, die aber als cis wahrgenommen wird gerade (vorsicht! „passing privilege“?) – ja? – wenn diese Person gesagt bekommt, „du als cis-Frau“ zum Beispiel und sie isses gar nicht. Das kann halt echt eine gewaltvolle Zuschreibung sein ne?
Anna: Ja, es ist halt supergut, die privilegierte Position zu benennen, aber es ist echt ungeil, einer trans*-Person vorzuhalten, welche gender-related Privilegien sie habe, die sie gar nicht hat. Also klar, wenn du was sagst jetzt und ich sag, scheiße, Lara, das kannst du aber auch nur, weil du auch ganz gut als cis „passt“ manchmal, ich könnte das nicht, verallgemeiner das jetzt mal nicht. Ich meine, das würde wohl kaum passieren, aber… ne? Könnte ja sein. Ok. Aber dass jetzt ne cis-Person zu dir sagt, dass du male privilege hast… hast vor allem… wohl eher hasst was? …
Lara: Hehe ja… Aber auch interessant aber ne? Woher weißt du, dass das ne cis-Person war jetzt? Ist jetzt auch nicht so ganz klar ne? Schon auch ne Fremdzuschreibung irgendwie…
Anna: Ja, schon. Ok. Davon bin ich jetzt ausgegangen, weil ich damit jetzt aber auch wirklich einen Punkt machen wollte, ich mein ich bin die letzte, die jetzt willkürlich alle als cis bezeichnet, würde ich jetzt mal behaupten… also was ich sagen will ist, dass diese Ignoranz gegenüber solchen Themen halt wirklich nur von cis-Leuten kommen kann. Ich meine, trans*-feindliche Sachen kommen halt schon eher von Leuten, die selber keine Erfahrungen mit Trans*-Feindlichkeit gemacht haben ne?
Lara: Ja, haste auch wieder recht. Boah ich hab grad so ein Wirrwarr im Kopp, dis glaubste gar nich. Also… Meine Identität hängt mit meinen Handlungen zusammen, oder halt mit Diskriminierungsformen, und Privilegien sind kontextgebunden und die sind auch eine aktive Handlung oder…
Anna: Ja naja jedenfalls is alles nich so einfach ne? Ich finds einfach wichtig, mich auch mal zu überprüfen, was ich da eigentlich grade mache. Warum sag ich zu einer Person, dass sie cis sei? Weil ich sie darauf aufmerksam machen will, dass etwas, was sie grade gesagt hat, die Lebensrealität von Trans*-Menschen ignoriert und das geht nicht klar. Und im Umkehrschluss denke ich halt, dass diese Person cis ist, weil Trans*-Menschen höchstwahrscheinlich keine potentiell trans*-feindlichen undoder -ignoranten Sachen sagen würden.
Lara: Es ist wirklich alles nicht so einfach.
Anna: Ja. Mir hat das Konzept mit den kritischen Ver_Ortungen immer echt gut geholfen, ein bisschen besser durchzublicken. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich alles 100%ig verstanden habe, aber eben generell auch zu schauen, dass alles einen Kontext hat und von strukturellen Diskriminierungsformen auszugehen statt von Identitäten, das ist echt sinnvoll, finde ich.
Lara: Ja, ich finds halt auch immer so traurig, wenn so „feministische“ Sachen gesagt werden wie „Männer können gar nicht Opfer von Sexismus werden“ und dann denke ich mir, genau, ein Trans-Mann, der von irgendwem als Frau wahrgenommen und deswegen scheiße sexistisch behandelt wird, ist bestimmt sauprivilegiert! Anstatt von Misogynie auszugehen, die sich gegen Menschen aller Identitäten richten kann. Und ich bin wirklich die letzte, die sagt, ey, euer Feminismus denkt mir zu wenig an cis-Männer. Aber auch feminine oder als feminin gelesen werdende cis-Männer können bestimmte Auswüchse von Sexismus erfahren. Bestimmte wiederum auch nie. Und da muss ich ja jetzt auch nicht meinen Feminismus von ausgehen lassen, aber ich kann ja vielleicht mal drüber nachdenken, warum ich eigentlich nochmal wen von was ausschließe in welchen Sätzen. Mein Feminismus ist auch nicht für weiße_ableisierte_cis-Männer da. Aber Cissexismus bzw. Cisgenderismus geht halt alle was an. Ein cis-Mann wird auch nicht als Mann geboren. Oder?
Anna: Ja, Privilegien sind kontextgebunden. Die hat ein Mensch nicht einfach so.
Lara: Und die laufen nicht 1:1 parallel zu Identitäten geschweige denn Wahrnehmungen.
Anna: Und vor allem sind Privilegien ein Kontinuum und kein ganz oder gar nicht.
Lara: Ja. Ich nenn mich auch meistens ableisiert, weil ich selten aufgrund z. B. meiner physischen Befindlichkeit_Beschaffenheit_etc an Sachen gehindert werde. Aber ich meine du weißt ja wie ich manchmal einfach nicht das Haus verlassen kann wegen Angstzuständen und alles… und das hält mich dann schon wiederum davon ab, Dinge zu tun… Da fühle ich mich nicht gerade ableisiert…
Anna: Ja, ich weiß, was du meinst. Und wenn ich einer Person Privilegien einer bestimmten Kategorie zuschreibe, sollte ich wissen, warum in welchem Kontext und ob ich nicht vielleicht eine gewaltvolle_fehlgeleitete_zielverfehlte Fremdzuschreibung mache.
Lara: Und ich kann Privilegien bekommen dadurch, dass andere mir etwas zuschreiben wie zum Beispiel Männlich-Sein und mich dann anders behandeln. Wenn ich dann aber mitspiele, indem ich zum Beispiel Bonding über Misogynie betreibe, investiere ich selbst auch in dieses Privileg. Ich habe das dann auch nicht einfach so.
Anna: Ja. Leute sollten öfter mal auf Handlungen und strukturelle Diskriminierungs- und Machtstrukturen schauen statt auf Identitäten. Identitäten können wichtig sein, aber identitätsbasierte Politiken trennen zuoft was zusammen gedacht werden sollte…
Lara: Wir müssen da nochmal wann anders weiterreden drüber. Ich will mir mehr Gedanken dazu machen…
Anna: Ja… geht mir auch so…
Lara: Ich unterhalte mich saugerne mit dir, weißt du das?
Anna: Ja. Gleichfalls 
Lara und Anna gehen gemeinsam händchenhaltend dem Sonnenuntergang entgegen.